Gespräch zum Buen Vivir

Buen Vivir – Orte, Übersetzungen und die Möglichkeit von Kritik

Gespräch mit Dr. Philipp Altmann (Universidad Central del Ecuador) und Dr. Stefan Knauß (Universität Erfurt)

Das buen vivir (grob übersetzt als Gutes Leben oder gut leben) hat eine beeindruckende Karriere gemacht. Als Sumak Kawsay/Alli Kawsay in Ecuador und Sumak Qamaña in Bolivien ist es seit den 1990ern ein Schlüsselbegriff der sozialen Bewegungen der Indigenen, der die Forderungen nach territorialer Autonomie und Selbstverwaltung der indigenen Gemeinden bündelt. Seit den frühen 2000ern und vor allem nach den neuen Verfassungen Ecuadors (2008) und Boliviens (2009) hat sich dieser Begriff zuerst in der lokalen Politik und dann auch international etabliert. Dafür waren Übersetzungsprozesse nötig, die das buen vivir erst in der nationalen Politik Ecuadors und, als vivir bien, Boliviens und anschließend in -vor allem ökologischen- Debatten außerhalb des Andenraums verankert haben. Diese Übersetzungsprozesse liefen über konkrete Akteure, die in bestimmten Momenten an spezifische Diskurse anschließen konnten – und fähig waren, das buen vivir inhaltlich an die Debatten vor Ort anzupassen. Die lokalen Inhalte in Bezug auf territoriale Autonomie verschwanden, für die Indigenen politisch sekundäre Themen -wie das Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch- wurden überbetont.

Lokal in Deutschland kann man also drei Versionen des buen vivir gegenüberstellen: die Version der Indigenenbewegung, die Version der Übersetzer, vor allem Acosta und Gudynas, und die schließlich lokalisierte Version vor Ort. Die Zielsetzung des Vortrags ist es, die Logik der Übersetzung zu verstehen, ohne die verschiedenen Versionen zu essentialisieren. Dazu werden die indigene Version und die Version der Übersetzer durch Kurzvorträge und Kurzzitate vorgestellt und diskutiert und anschließend die möglichen lokalen Umsetzungen erarbeitet. Dabei wird besonderes Augenmerk auf Prozesse der Übersetzung gelegt. Ab wann müssen wir sie als Aneignungen verstehen. Wann ist es nötig, die Verwendung des Konzepts buen vivir zu kritisieren und auf Basis welcher eigenen Sprecherposition kann das getan werden.

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Mit freundlicher Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung – Vielen Dank!